6. Mitteldeutscher Archäologentag

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Beschreibung

Über Jahrhunderttausende blieben Sammler und Jäger völlig unberührt und tranken angesichts goldglänzender Nuggets aus Bächen und Flüssen. Für Frauen und Männer in einem aneignenden Wirtschaftssystem ohne Mehrwert sind Gold und Silber ein komplett überflüssiges, in keiner Weise sinnvoll zu verwertendes Material. Schon zu einem sehr frühen Zeitpunkt in den Anfängen der Metallurgie zwischen dem 5. und 3.Jt.v.Chr. begann man, Gold und Silber in verschiedenen Gegenden Südwestasiens und Europas zu bearbeiten. Dieser frühe Gebrauch steht im Gegensatz zu der begrenzten Verfügbarkeit von natürlichem Gold und Silber im Vergleich zu anderen Metallen wie Eisen, Kupfer oder Blei und noch mehr im Hinblick auf ihren beschränkten technischen Nutzen. Die Mühen, die notwendig sind, um Gold und Silber zu finden und zu verarbeiten, stehen in keinem Verhältnis zu einem unmittelbar produktiven Vorteil, der ein solch frühes Interesse begründen könnte. Die erste Gold- und Silberverarbeitung hatte sicherlich keinen Bezug zu einem wirtschaftlichen Nutzen nach unserem heutigen Verständnis, sondern diente eher dazu, Vorstellungen einer neuen sozialen Wirklichkeit Ausdruck zu verleihen, die nach der Einführung der Metallurgie langsam entstand. Obwohl viele andere »wirkungsvolle« Werkstoffe wie z. B. Elfenbein, Bernstein, Jade oder Muscheln in der Vorgeschichte eine ähnliche Rolle spielten, haben Gold und Silber spezielle physische Eigenschaften, die in eine einzigartige Kombination aus Glanz, Korrosionswider- stand, Formbarkeit sowie Beständigkeit und Farbe münden, welche sie zu idealen Trägern und Vermittlern jener Werte und Ideen werden lassen, die eine Gesellschaft, eine Gruppe oder ein Individuum als höchst transzendental und unvergänglich ansehen.
Die wichtigsten Funde von geschmiedetem Gold im 5.Jt . bzw. von Gold und Silber im 4. Jt. v. Chr. kommen aus dem bekannten Grab 43 der Nekropole von Varna, Bulgarien, und der Grabkammer des Kurgans von Maikop in der Region Kuban in Südrussland. In beiden Fällen haben wir außergewöhnliche Männergräber vor uns, einschließlich einer stattlichen Reihe von exotischen Rohmaterialien, höchst aufwendigen Schmuckstücken sowie Werkzeugen und Waffen. Diese physische und symbolische Beziehung zwischen neuen Machtstrukturen und Edelmetallen wurde eindeutig bereits zur Zeit der ersten mesopotamischen Dynastien im Laufe der ersten Hälfte des 3. Jts. v. Chr. bestätigt, wie das Diadem und andere Artefakte aus dem Grab der Königin Puabi von Urlebhaft illustrieren. Die Aneignung von Gold und Silber und deren gesellschaftliche Bedeutung für die ersten dominierenden Gesellschaftsschichten, die in frühgeschichtlicher Zeit entstanden, hält praktisch bis in unsere Tage an and ist nicht nur auf die hierarchischen Gesellschaften Eurasiens beschränkt.
(Auszug aus dem Vorwort)